Kraftwagen: Hochtechnologie im Verborgenen

Kraftwagen: Hochtechnologie im Verborgenen
Kraftwagen: Hochtechnologie im Verborgenen
 
Werbeslogans wie »Technik, die begeistert« oder »Vorsprung durch Technik« gehören vergangenen Zeiten an. Die Technik wird von der Autowerbung zwar nach wie vor als Verkaufsargument eingesetzt, funktioniert aber im Alltagsbetrieb völlig im Verborgenen. Der durchschnittliche Fahrer weiß oft nicht, ob er einen Zwei- oder einen Vierventilmotor fährt. Die Motorhaube muss immer seltener zur Wartung geöffnet werden. In der Tat ist der Wartungsbedarf von Fahrzeugen ständig gesunken. Die »Benutzeroberfläche« des Fahrerplatzes reicht zur Bedienung des Wagens völlig aus. Dennoch interessiert sich eine Vielzahl von »Usern« auch für die Hardware und das Betriebssystem ihrer geliebten Vehikel: Motoren, Getriebe, Fahrwerk und Bordelektronik.
 
 Motoren
 
Praktisch alle Kraftfahrzeuge werden heute durch einen Verbrennungsmotor angetrieben, in dem bis auf wenige Ausnahmen (Wankelmotor) die chemische Energie des Treibstoffs durch die Auf- und Abbewegung eines Kolbens in mechanische Energie umgesetzt wird; man spricht daher auch von Hubkolbenmotor. Die lineare Bewegung des Kolbens wird durch einen Pleuel in eine Kreisbewegung der Kurbelwelle umgewandelt; die mechanische Energie wird durch ein Getriebe auf die Antriebswellen und mit ihnen auf die Räder übertragen.
 
Da ein Einzylindermotor recht unruhig läuft, haben heutige Motoren meist mehrere Zylinder, die auf eine gemeinsame Kurbelwelle wirken. Die wichtigsten Typen sind die nach Anordnung der Zylinder in Bezug auf die Kurbelwelle benannten Reihen-, Boxer- oder V-Motoren. In Europa am meisten verbreitet ist der Reihen-Vierzylinder mit circa 1,8 Liter Hubraum und etwa 100 PS (74 kW); in den USA ist die Standardausführung ein Sechs- oder Achtzylinder-V-Motor.
 
Man unterscheidet die Motoren nach ihrem Verbrennungsprinzip (Fremdzündung oder Selbstzündung) oder nach ihrem Arbeitsprinzip (Viertaktmotor oder Zweitaktmotor).
 
Nach seinem Erfinder, dem Maschinenbauer und Unternehmer Nikolaus August Otto wird der fremdgezündete Verbrennungsmotor als Ottomotor bezeichnet. Praktisch alle heute in Autos eingesetzten Motoren arbeiten nach dem von Otto 1876 eingeführten Viertaktprinzip. Ein Takt ist dabei Zeitraum, in dem sich der Kolben von einem zum anderen Totpunkt (der Punkt, an der der Kolben seine Bewegungsrichtung ändert) bewegt. Bei den vier Arbeitstakten (entsprechend zwei Umdrehungen der Kurbelwelle) wird nur in einem Takt Energie frei.
 
Diesen scheinbaren Nachteil versucht der Zweitaktmotor zu umgehen, der bei jeder Kurbelwellenumdrehung einen Arbeitstakt aufweist; hier vollziehen sich bei jedem Kolbenhub zwei Prozesse gleichzeitig. Tatsächlich hat ein Zweitaktmotor bei gleichem Hubraum eine höhere Leistung als ein Viertaktmotor, und er ist bei gleicher Leistung leichter und von einfacherem Aufbau als ein Viertakter. Durch die kritischen Strömungsverhältnisse in der Nähe des Überströmschlitzes können sich jedoch — insbesondere bei höheren Drehzahlen — frisches Gemisch und verbrannte Gase vermischen, sodass der spezifische Verbrauch etwas höher ist als beim Viertakter und die Abgase relativ viel unverbrannte Kohlenwasserstoffe enthalten. Das beigemischte Schmieröl verbrennt und verschlechtert die Abgaswerte weiter. Deswegen ist der Zweitakter aus PKWs seit den 1960er-Jahren verschwunden.
 
Der deutsche Ingenieur und Erfinder Felix Wankel verfolgte bereits in den Zwanzigerjahren das Ziel, einen »drehenden statt stampfenden« Verbrennungsmotor zu entwickeln. Mit großer Beharrlichkeit fand er Mitte der 1950er-Jahre eine Lösung der beiden Grundprobleme: die Beherrschung der Abdichtung und vor allem die Entwicklung einer rotationsfähigen Kolben- und Gehäuseform, die einen Verbrennungsprozess nach dem Viertaktprinzip ermöglicht. Damit löste er eine Aufgabe, an der Generationen von Ingenieuren gescheitert waren.
 
Der Kreiskolbenmotor, besser bekannt unter dem Namen Wankelmotor, hat einen im Querschnitt dreieckigen Kolben mit konvexen Seiten, der in einem ovalen, in der Mitte leicht eingeschnürten Gehäuse in Form einer Acht rotiert. Bei der Drehung des Kolbens bilden sich drei sichelförmige Brennräume von variablem Volumen; in allen dreien findet jeweils einer der Takte des Viertakt-Ottoprozesses statt. Die Bewegung des Kolbens überträgt sich auf eine Exzenterwelle.
 
Der Wankelmotor ist leicht und klein, hat nur wenige bewegte Teile und einen guten Drehmomentverlauf. Nachteilig sind der große Fertigungsaufwand sowie der hohe Verbrauch; durch die ungünstige Form der Brennräume ist die Verbrennung schlechter als beim Ottomotor, und das Abgas enthält relativ viel unverbrannten Treibstoff. Dies und die — längst behobenen — Zuverlässigkeitsprobleme führten dazu, dass sich diese Motorengattung nicht durchsetzte.
 
Das erste Auto mit Wankelmotor war der »Wankel-Spider«, 1964 vorgestellt von dem kleinen Hersteller NSU in Neckarsulm. Doch zum großen Wurf wurde erst der Ro 80, die Sensation 1967 auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt. Heute noch verbinden viele den Namen »Wankel« mit diesem Fahrzeug.
 
Lizenzen für den Wankelmotor kauften fast alle Hersteller, von Rolls-Royce bis zum volkseigenen Fahrzeugbetrieb der DDR. Viele Firmen, die Lizenzen erwarben, entwickelten den Motor weiter, sogar Wankel-Dieselmotoren wurden entwickelt. Doch nach Jahren der Begeisterung wurde es stiller um ihn. Heute bietet nur noch die japanische Firma Mazda Wankelmotoren in PKWs an.
 
Beim Dieselmotor — benannt nach dem deutschen Ingenieur Rudolf Diesel, der ihn in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts entwickelte —, handelt es sich um einen selbstzündenden Motor. Anders als beim Ottomotor wird das Kraftstoff-Luft-Gemisch nicht durch einen Zündfunken, sondern durch die beim Verdichten entstehende Hitze gezündet: Die angesaugte reine Luft wird auf etwa 30 bis 55 Bar komprimiert, dabei entstehen Temperaturen von bis zu 900 Grad Celsius. Erst dann wird der flüssige Treibstoff eingespritzt. Er verdampft und verbrennt nach einer kurzen Zeitspanne, dem Zündverzug (etwa eine tausendstel Sekunde). Dieselmotoren arbeiten wie Ottomotoren nach dem Viertakt- oder Zweitaktverfahren.
 
Die zu überwindende Klippe bei der Technik des Dieselmotors ist der Einspritzvorgang. Die Pumpe muss in sehr kurzer Zeit eine genau bemessene Kraftstoffmenge bereitstellen und durch feinmechanisch anspruchsvoll herzustellende Düsen einspritzen. Da die erforderlichen Drücke technisch nicht leicht zu realisieren sind, setzte sich zunächst das Verfahren der indirekten Einspritzung durch (Vorkammerdiesel oder Wirbelkammerdiesel): Der Treibstoff wird mit rund 120 bis 140 Bar nicht in die Brennkammer, sondern in eine mit ihr verbundene separate Kammer eingespritzt. Die Flamme muss sich von dort über den gesamten Brennraum ausbreiten; dadurch ist der Lauf des Motors relativ »weich«. Allerdings ist bei diesem Verfahren der spezifische Treibstoffverbrauch höher als bei direkt einspritzenden Motoren.
 
Hier verzichtet man auf die Unterteilung der Brennräume, der Treibstoff wird mit sehr hohem Druck (bei modernen Motoren erreicht man mit computergesteuerten Spritzdüsen Drücke über 2000 Bar) direkt in die Brennkammer eingespritzt, etwa nach dem »Common-Rail«- oder dem Pumpe-Düse-Verfahren. Damit sind Dieselmotoren sehr viel sauberer geworden und haben ein gutes Leistungsverhalten. Wegen seines Verbrauchsvorteils von bis zu 15 Prozent gegenüber Vorkammerdieseln wird der Motor heute verstärkt, oft in Kombination mit einer Turboaufladung, eingesetzt.
 
Der erste für Kraftfahrzeuge taugliche Verbrennungsmotor war der relativ leichte und einfach aufgebaute Ottomotor nach dem Viertaktprinzip, so wie ihn Carl Benz und Gottlieb Daimler in ihre Motorwagen einbauten. Noch heute stellt er den größten Teil aller PKW-Motoren. Der Zweitaktmotor eignet sich seines günstigen Leistungsgewichts wegen vor allem für Motorräder; in PKWs wird er — nach Einstellung der DDR-Modelle Wartburg und Trabant — praktisch gar nicht mehr eingebaut. Der 1892 patentierte und 1897 erstmals realisierte Dieselmotor dagegen war in seinen ersten Ausführungen ausschließlich für stationäre Anwendungen als Ersatz für Dampfmaschinen gedacht. Für den Einbau in Kraftfahrzeuge war er zu schwer. Es dauerte vierzig Jahre, bis 1936 der erste PKW mit Dieselmotor auf den Markt kam. Jahrzehntelang waren Diesel-PKWs zwar sparsam und langlebig, aber lahm und lärmend. Erst in den 1970er-Jahren bauten deutsche und französische Hersteller leichte, schnell laufende Dieselmotoren mit relativ hoher Leistung und setzten damit langfristig einen Imagewandel in Gang. 1989 stellte Audi den ersten PKW mit einem direkt einspritzenden Dieselmotor vor. Diese Motoren, verfeinert mit elektronischer Steuerung, Turbolader und aufwendiger Abgasreinigung, gelten heute als technische Glanzstücke. Sie bieten bei minimalem Verbrauch etwa die gleiche Leistung, aber das doppelte Drehmoment wie ein gleich großer Ottomotor und werden mittlerweile sogar in Fahrzeuge der Luxusklasse eingebaut. Insgesamt gleichen sich Diesel- und Ottomotoren in der Tendenz zur elektronischen Steuerung vieler Parameter immer mehr an. Heute werden in Westeuropa knapp 30 Prozent der PKWs mit einem Dieselmotor (davon 85 Prozent Direkteinspritzer) produziert. Auch das im Sommer 1999 von VW vorgestellte erste »Dreiliterauto« in Großserie hat einen direkt einspritzenden Dieselmotor.
 
 Fortschritte der Motorentechnik
 
Während die Prinzipien der Motorentechnik seit hundert Jahren unverändert blieben, haben sich im Detail zahlreiche Fortschritte ergeben. Neue Werkstoffe, etwa Leichtmetalle statt Grauguss, sparten wesentlich an Gewicht ein. Durch präzisere Materialbearbeitung konnten Verschleiß und Reibung reduziert werden, sodass Motoren heute eine Lebensdauer von mehreren 100 000 Kilometern erreichen können.
 
Bei Ottomotoren zeigen sich Verbesserungen auch bei der Zündung und Gemischbildung: Bis in die 1970er-Jahre hinein wurde der Zündfunke durch verschleißanfällige Unterbrecher erzeugt und über einen mechanischen Verteiler zu den Zündkerzen gebracht; moderne Motoren haben eine elektronische Zündanlage. Das Kraftstoff-Luft-Gemisch stellt nicht mehr ein Vergaser her, sondern es wird elektronisch geregelt in die Ansaugleitung gespritzt. Auf diese Weise lässt sich das Verhältnis von Luft zu Kraftstoff wesentlich genauer halten, was den Einsatz von Katalysatoren zur Abgasreinigung erst möglich macht. Seit kurzem werden auch direkt einspritzende Ottomotoren gebaut, von denen man sich eine Kraftstoffeinsparung bei gesteigerter Leistung verspricht.
 
Weitere Verfahren zur Leistungssteigerung gehen von der Luftzufuhr des Motors aus. Bei einer Methode verringert man den Strömungswiderstand der angesaugten beziehungsweise ausgestoßenen Gase; hierzu setzt man statt nur einem mehrere Ein- und Auslassventile für jeden Zylinder ein. Nach einem anderen Verfahren — schon 1905 entdeckt — versorgt man den Motor durch ein Gebläse mit vorverdichteter Luft (»Aufladung«). Durch den höheren Sauerstoffanteil der Zylinderfüllung lässt sich mehr Treibstoff verbrennen, und somit ist die Leistung höher. Zunächst wurde vorgeschlagen, das Gebläse mithilfe der sonst ungenutzten Strömungsenergie der Auspuffgase anzutreiben. Technische Schwierigkeiten führten jedoch dazu, dass sich zunächst mechanisch angetriebene Kompressoren durchsetzten, die ursprünglich im Ersten Weltkrieg für Flugzeugtriebwerke entwickelt worden waren; die Hochzeit der Kompressormotoren waren die 1930er-Jahre. Erst die Einführung hochtemperaturbeständiger Werkstoffe in den 1970er-Jahren ermöglichte den Bau der ersten Abgasturbolader für Straßenfahrzeuge. Die beiden Verfahren haben eine etwas andere Charakteristik: Weil der Kompressor direkt vom Motor angetrieben wird, folgt er jeder Drehzahländerung unmittelbar. Der Turbolader dagegen spricht beim Gasgeben immer etwas verzögert an (»Turboloch«), weil erst bei einer bestimmten Mindestdrehzahl der Motor so viel Abgas produziert, dass der Lader in Funktion tritt. Da sich die Abgasmenge beim Dieselmotor nicht so stark ändert wie beim Ottomotor, ist hier das Turboloch auch bei weitem nicht so ausgeprägt.
 
 Die Kupplung und das Getriebe
 
Anders als Elektromotoren können Verbrennungsmotoren eine Last erst ab einer bestimmten Drehzahl bewegen — ein Effekt, den jeder kennt, der sein Auto schon einmal »abgewürgt« hat. Zum Anlassen oder auch beim Gangwechsel eines manuellen Getriebes muss man den Motor mithilfe der Kupplung von der Last (also dem Fahrwiderstand des Autos) trennen können.
 
Verbrennungsmotoren geben ihre verwertbare Leistung und das Drehmoment nur in einem recht engen Drehzahlbereich ab. Um die Antriebskraft auf die Räder an verschiedene Fahrsituationen anzupassen, muss man das Übersetzungsverhältnis zwischen Motor und Antriebsrädern verändern können. Dazu dient ein Getriebe. In Europa üblich ist das Handschaltgetriebe, mittlerweile meist mit fünf Gängen, vereinzelt auch schon mit sechs. Immer häufiger werden Halbautomatiken eingebaut, die zwar einen manuellen Gangwechsel erfordern, aber dem Fahrer ersparen, die Kupplung zu treten. In den USA weisen praktisch sämtliche PKWs ein vollautomatisches Getriebe auf. Auch hier ist die Zahl der Gangstufen permanent gesteigert worden, üblich sind heute Fünfgangausführungen. Die Tendenz bei teuren Fahrzeugen geht zu Getrieben, bei denen der Fahrer wählen kann, ob er selbst schaltet oder dies der Automatik überlässt (»Tiptronic«). Eine Sonderlösung ist die stufenlose Vollautomatik (»Variomatic«), die schon in den Sechzigerjahren von der niederländischen Firma DAF vorgestellt wurde und — weiterentwickelt — heute in PKWs verschiedener Hersteller erhältlich ist.
 
Unbedingt nötig ist ein Ausgleichs- oder Differenzialgetriebe. Es hat die Aufgabe, bei Kurvenfahrt die Drehzahlunterschiede zwischen dem rechten und linken angetriebenen Rad auszugleichen, und verteilt dazu das Motordrehmoment in einem bestimmten Verhältnis auf die beiden angetriebenen Räder.
 
 Das Fahrwerk
 
Die Hauptaufgabe des Fahrwerks ist die Führung des Fahrzeugs auf der Fahrbahn. Die Vorderachse muss nicht nur die normalen Achsfunktionen wie Radführung und — bei Frontantrieb — die Kraftübertragung auf die Straße garantieren, sondern auch die Lenkkräfte aufnehmen.
 
Wichtiger Bestandteil sowohl der Vorder- als auch der Hinterachse ist die Radaufhängung, welche die Räder mit der Karosserie verbindet. Dabei stützt sich jedes Rad einzeln auf einem Federelement am Fahrzeug ab. Um Unebenheiten der Fahrbahn auszugleichen, kann es sich vertikal bewegen. Man unterscheidet bei der Achsgeometrie starre und halbstarre Achsen sowie Einzelradaufhängung.
 
Bei der Starrachse, die bei PKWs nur noch vereinzelt eingebaut wird, sind die beiden Räder durch einen Achskörper miteinander verbunden. Nachteilig ist die relativ hohe ungefederte Masse, die zulasten des Komforts geht. Die halbstarre oder Verbundlenkerachse wird vor allem als leichte Hinterachse bei frontangetriebenen Fahrzeugen eingesetzt. Sie vereint eine gute Seitenführung bei Kurvenfahrt mit einer Platz sparenden Raumaufteilung im Heck. Bei der Einzelradaufhängung sind beide Räder einer Achse unabhängig voneinander über Lenker und Federelement mit dem Fahrzeugaufbau verbunden. Da sich die Räder nicht gegenseitig beeinflussen, ist der Kontakt der Räder zur Fahrbahn höher, und durch die geringen ungefederten Massen ist auch der Komfort besser als bei Starrachsen.
 
Als Federelement werden heute ganz überwiegend Schraubenfedern in Federbeinen verwendet, kombiniert mit Stoßdämpfern, welche die Schwingungen der Räder schnell abbauen. Weniger gebräuchlich sind Blattfedern oder Drehstabfedern. Sonderformen sind die Luftfederung, verwendet vor allem in Fahrzeugen der Luxusklasse und in Reisebussen, sowie die von Citroën entwickelte Hydropneumatik. Mit diesen Systemen ist auch eine Niveauregulierung möglich, bei der das Fahrzeug auch bei hoher Belastung nicht einsackt. Sie lassen sich darüber hinaus mit aktiven Elementen kombinieren, die das Fahrgestell beeinflussen. Mithilfe eines solchen Systems können Federung und Dämpfung durch elektronisch gesteuerte Hydraulikzylinder variiert werden. Die Karosseriebewegungen beim Anfahren, beim Bremsen und bei rascher Kurvenfahrt lassen sich bei entsprechender Programmierung praktisch vollständig eliminieren.
 
Eine wichtige Fahrwerkskomponente sind auch die Reifen, die einzige Verbindung des Autos zur Straße. Immer mehr verfeinerte Kautschukmischungen, verbesserte Herstellungsverfahren und optimierte Profile sorgen dafür, dass eigentlich miteinander unvereinbare Gebrauchseigenschaften — beispielsweise geht ein verbessertes Nässeverhalten zulasten des Komforts, die Reduktion des Rollwiderstands etwa verringert die Laufleistung — in einem Reifen vereint werden können.
 
Entwicklungen der neueren Zeit betreffen beispielsweise die Vermeidung von Reifenplatzern während der Fahrt, indem ein Luftdruckabfall von Sensoren im Kotflügel festgestellt und der Fahrer rechtzeitig gewarnt wird. Auch das Verhalten bei Kurvenfahrt lässt sich verbessern, indem dieselben Sensoren aus der Reifenverformung die im Fahrbetrieb auf das Auto wirkenden Kräfte ermitteln; über einen Prozessor können dann beispielsweise die spezifischen Bremskräfte an den einzelnen Achsen gesteuert werden.
 
 
Hatten noch in den Sechzigerjahren die meisten Autos den Motor vorn und angetriebene Hinterräder, so wird mittlerweile die Mehrzahl aller Wagen mit dem Platz sparenden Frontantrieb gebaut. Seit Anfang der Achtzigerjahre werden jedoch immer mehr Fahrzeuge mit Allradantrieb angeboten. Diese Form des Antriebs bietet eine bessere Übertragung der Motorkraft auf den Boden. Dies war zunächst nur bei Militär- und Geländefahrzeugen interessant, jedoch verbessert der Allradantrieb die Traktion auch auf regennasser oder schneebedeckter Fahrbahn.
 
Bei der einfachsten Variante wird im Normalfall nur eine Achse angetrieben und die andere lediglich bei Bedarf (manuell) zugeschaltet. Beim permanenten Allradantrieb werden immer alle vier Räder angetrieben. Zusätzlich zu dem in jedem Auto vorhandenen Differenzial muss hier ein weiteres Differenzial — das sich bei Geländewagen allerdings sperren lässt — die Drehzahlunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse ausgleichen. In einer anderen technischen Lösung wird die Scherelastizität (Viskosität) eines Siliconöls ausgenutzt, das sich zwischen zwei Kupplungsscheiben befindet und die Drehmomente überträgt; bei geringen Drehzahlunterschieden zwischen den Achsen erwärmt sich das Öl, wird dabei immer »steifer« und sorgt so für eine zunehmende Sperrung zwischen den Achsen.
 
Technisch am aufwendigsten ist der elektronisch geregelte Allradantrieb. Hier wird permanent die Hinterachse angetrieben. Drehzahlsensoren an der Hinterachse und den Vorderrädern melden, wann ein Rad oder eine Achse durchdreht, und ein Steuergerät gibt das Signal zum Zu- oder Abschalten des Vorderradantriebs.
 
 Bremsen, ABS, Elektronik zur Fahrstabilisierung
 
Zum Verzögern des Fahrzeugs sind leistungsfähige Bremsen erforderlich. Der Pedaldruck wird heute ausschließlich durch hydraulische Leitungen auf die vier Bremsen übertragen. Aus Sicherheitsgründen verfügen die meisten Autos über eine Zweikreis-Bremsanlage, also zwei getrennte Hydrauliksysteme. So sind, auch wenn ein Bremsschlauch platzen sollte, noch immer gute Bremswerte möglich.
 
Je nach Angriffsrichtung der Bremskraft kann man zwischen axialer (Scheibenbremse) und radialer Bauweise (Trommelbremse) unterscheiden. Trommelbremsen eignen sich nur für kleine bis mittlere Bremsleistungen und werden in PKWs als Hauptbremse praktisch nur noch an der Hinterachse und als Feststellbremse (»Handbremse«) eingesetzt. Scheibenbremsen erzielen bessere Bremswerte als Trommelbremsen. Ein Bremskraftverstärker, um die Pedalkraft nicht zu groß werden zu lassen, ist heute außer in Kleinwagen allgemein gebräuchlich. Unterdruck-Bremskraftverstärker nutzen dazu den im Saugrohr des Motors entstehenden Unterdruck, die kompakteren Hydraulik-Bremskraftverstärker verwenden dazu ein bereits im Wagen vorhandenes Hydraulikaggregat (zum Beispiel die Servolenkung).
 
Die feste Verteilung der Bremskraft auf die Vorder- und Hinterachse kann dazu führen, dass ein Rad »überbremst« wird: Es blockiert dann, die Bremswirkung geht auf null, der Wagen kann ausbrechen und lässt sich nicht mehr lenken. Dies verhindert ein Antiblockiersystem (ABS), 1978 erstmals großserienreif vorgestellt. Es funktioniert wie eine sehr schnelle »Stotterbremse«: Die Räder werden bis an die Blockiergrenze abgebremst; wenn die Drehzahlsensoren den Stillstand des Rades signalisieren, nimmt das System die Bremskraft zurück, bis das Rad sich wieder dreht, und bremst das Rad dann erneut. Die Elektronik erlaubt dabei verschiedene Bremskräfte und »Stotterrhythmen« für jedes Rad einzeln.
 
Das Gegenstück zum ABS ist die Antriebsschlupfregelung (ASR), die ein Durchdrehen der Räder beim Anfahren oder Beschleunigen verhindern und die Beherrschbarkeit des Fahrzeugs auch bei schlechten Straßenverhältnissen sicherstellen soll. Bei der einfachen Variante greift die Elektronik in den Motor ein und nimmt selbstständig die Leistung zurück; bei der aufwendigeren Bauform wird das durchdrehende Rad zusätzlich über die vorhandenen ABS-Komponenten abgebremst.
 
Eine Weiterentwicklung ist das »Elektronische Stabilitätsprogramm« (ESP), das Daimler-Chrysler zunächst in Wagen der Oberklasse, seit dem missglückten »Elchtest« aber auch in die Kleinwagen der A-Klasse einbaut. Ein elektronisches System vergleicht die von Sensoren gelieferten Daten zur Drehgeschwindigkeit der Räder, Lenkradeinschlag, Fahrzeugneigung und Motorleistung sowie weitere Daten mit einem Referenzprogramm; ist der Wagen für einen gegebenen Kurvenradius zu schnell, wird er selbstständig abgebremst und die Motorleistung zurückgenommen, ohne dass der Fahrer eingreifen muss.
 
 Elektronik in Automobilen
 
Die Elektronik (im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik meist synonym zu Mikroelektronik) bestimmt in immer höherem Maß die Funktionen und den Mehrwert eines Autos, und weder moderne Entwicklungen wie ABS, ASR oder der Airbag noch die Minimierung des Schadstoffausstoßes wären ohne mikroelektronische Komponenten denkbar. In einer ganzen Reihe von Bereichen werden in modernen PKWs heute elektronische Bauteile eingesetzt.
 
Beim Antriebsstrang sind dies die Regelung der Leerlaufdrehzahl, die Lambdasonde, das Stopp-Start-System, die Getriebesteuerung und die Motorelektronik. Im Bereich Kommunikation arbeiten das Radio, der Bordcomputer, die Sprachausgabe, das Autotelefon, die Leit- und Informationssysteme und die Anzeigen elektronisch. Der Komfort wird durch die elektronische Regelung der Fahrgeschwindigkeit, der Heizung und des Klimas, der Zentralverriegelung, der Sitzverstellung und des Fahrwerks verbessert. Der Erhöhung der Sicherheit dienen elektronisch geregelte Vorrichtungen wie Antiblockiersystem, Antriebsschlupfregelung, Airbagauslösung, Diebstahlsicherung, Radar-Abstandswarnung, Scheinwerferverstellung und -reinigung, Regen- und Dunkelheitssensoren, Systemdiagnose und die Überwachungssysteme.
 
Weitere Einsatzmöglichkeiten der Elektronik sind in der Entwicklung, zum Beispiel die Fahrzeugbedienung mithilfe elektrischer Signale (»elektronisches Gaspedal«, elektronische Übertragung der Lenkbewegungen) anstelle von mechanischen Übertragungselementen oder die automatische Abstandsregelung mithilfe eines Radarsensors, aber auch beispielsweise das automatische Erkennen einer Notbremsung mit entsprechender Erhöhung der Bremskraft. Die Konsequenzen dieser elektronischen Steuerung der meisten Funktionen sind einerseits erhöhte Sicherheit und Bequemlichkeit, andererseits werden die Möglichkeiten des individuellen Fahrens beschränkt.
 
Dr. Kurt Möser
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Kraftwagen: Fertigung
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Auto und Autogesellschaft
 
 
Aerodynamik des Automobils. Eine Brücke von der Strömungsmechanik zur Fahrzeugtechnik, herausgegeben von Wolf-Heinrich Hucho. Düsseldorf 31994.
 
Autoelektrik, Autoelektronik, herausgegeben von der Robert Bosch GmbH. Bearbeitet von Horst Bauer u. a. Braunschweig u. a. 31998.
 Bartsch, Christian: Modernste Dieseltechnik. TDI, die Entwicklung der Direkteinspritzung. Stuttgart 1998.
 
Bremsanlagen für Kraftfahrzeuge, herausgegeben von der Robert Bosch GmbH. Bearbeitet von Ulrich Adler. Düsseldorf 1994.
 Conzelmann, Gerhard / Kiencke, Uwe: Mikroelektronik im Kraftfahrzeug. Berlin u. a. 1995.
 Drexl, Hans-Jürgen: Kraftfahrzeugkupplungen. Funktion und Auslegung. Landsberg am Lech 1997.
 
Entwicklungstendenzen auf dem Gebiet der Ottomotoren, Beiträge von Dusan Gruden u. a. Ehningen 1993.
 Hütten, Helmut: Motoren. Technik, Praxis, Geschichte. Stuttgart 101997.
 Kasedorf, Jürgen: Benzineinspritzung und Katalysatortechnik. Würzburg 1995.
 Kasedorf, Jürgen / Woisetschläger, Ernst: Dieseleinspritztechnik. Würzburg 51997.
 Knie, Andreas: Diesel - Karriere einer Technik. Genese und Formierungsprozesse im Motorenbau. Berlin 1991.
 Riedl, Heinrich: Handbuch praktische Automobiltechnik. Für alle PKW mit Otto- oder Dieselmotor. Grundwissen, Störfälle, Pannendiagnose, Schadensbehebung. Lizenzausgabe Königswinter 1995.
 Riedl, Heinrich: Spezial-Lexikon Kraftfahrtechnik, 3 Bände. Suderburg 1994.
 Schreiber, Jürgen: Auto-Praxis. .. von A- Z, bearbeitet von Birgit Kollbach und Heinrich Sonntag. Wiesbaden 141997.
 Simons, Wolfgang: Das Umweltauto, Band 1: Konventionelle und nichtkonventionelle Antriebe. Bremen 1998.
 Stumpf, Horst: Handbuch der Reifentechnik. Wien u. a. 1997.

Universal-Lexikon. 2012.

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